Eine Frau steht in einem Feld aus Stahlkörpern. Ein Mann sitzt zwischen übergroßen organisch geformten zylindrischen Körpern. Ein anderer schraubt an einem riesigen Strahlrad, ein weiterer befindet sich als kleiner Punkt inmitten dieses gewaltigen Rades. Beim Betrachten diese Bilder ist man vielmehr an die utopischen Szenen aus Fritz Langs „Metroplis“ erinnert und hat weniger das eigentliche Geschehen vor Augen: den spröden Alltag in den Fabriken der DDR.
Mit der nahezu filmischen Inszenierung der Maschinen hat Ludwig Schirmer Bilder aufgenommen, die Rätsel aufgeben. Wer beherrscht hier wen? Haben die Maschinen die Kontrolle über die Menschen erlangt?
Fast scheint es, als würden die Personen neben den Metall-, Stahl- und Eisenkonstruktionen nur noch bloßes Beiwerk sein. Auf einigen Bildern wirken die Frauen und Männer abwesend bis apathisch, auf einigen anderen scheinen sie mit ihrem Arbeitsgerät zu verwachsen. Trotzdem sind die Personen nicht wegzudenken. Die Spannung der Bilder wird vor allem durch der Beziehung zwischen Mensch und Maschine erzeugt. Dieses Zusammenspiel setzt Schirmer auch durch die künstliche Beleuchtung perfekt in Szene.
All diese Fotografien sind zwischen den 1960er- und 1970er-Jahren in den unterschiedlichsten Betrieben in der DDR entstanden. Die Aufnahmeorte sind nicht mehr eindeutig zu rekonstruieren, reichen jedoch von Fabriken der Schwerindustrie bis zur Verarbeitungsindustrie.
Ludwig Schirmer (1929 – 2001) arbeitete in der DDR als erfolgreicher Werbefotograf. Zur Fotografie kam er über Umwege: Als gelernter Müllermeister eignete er sich das Fotografieren im Selbststudium an. Später erhielt er zahlreiche Aufträge von großen Messen, Außenhandelsfirmen und Industriekombinaten. Vermutlich hatte er durch seine Tätigkeiten in der Werbebranche Zugang zu den ansonsten nicht öffentlichen Industriebetrieben.
In der DDR stand der gesamte Wirtschaftssektor, also auch alle Industriebetriebe, unter staatlicher Kontrolle. Alle Produktionsmittel und Erzeugnisse waren staatliches Eigentum. In Schirmers Bildern spielt das jedoch keine große Rolle. Ihn interessierten vor allem die Form und die Ästhetik der Maschinen und Produkte. Lediglich eine Detail verrät etwas über die Arbeitswelt im realsozialistischen Staat: Der außerordentlich hohe Anteil an in der Industrie arbeitenden Frauen. Dieser lag 1970 in der DDR bei 41 %.
Ludwig Schirmers Schwarz-Weiß-Fotografien erinnern teilweise auch an die sozialdokumentarische Fotografie. Diesen Anspruch hatte er mit diesen Bildern jedoch nicht. Weder wollte er den Zustand der
Fabriken aufzeigen, noch ein Porträt über die Arbeiterinnen und Arbeiter anfertigen. Auch war Schirmer kein Pressefotograf. Die filmische Inszenierung der Bilder beweist das. Sein Interesse galt im Wesentlichen der Suche nach dem bestmöglichen Foto.
Ergänzend zu inszenierten Fabrikaufnahmen ist eine kleine Auswahl an Porträtfotografien zu sehen. Hier steht der Mensch in seiner Rolle als Arbeiter oder Arbeiterin im Mittelpunkt. Die Personen sind in ihrem direkten Arbeitsumfeld in Szene gesetzt. Ähnlich wie August Sanders Gesellschaftsporträts aus dem frühen 20. Jahrhundert handelt es sich bei diesen Aufnahmen um typologische Studien, die viel mehr über gesellschaftliche und politische Umstände, als über Persönlichkeit oder Charaktermerkmale des Einzelnen erzählen.
Die in der Ausstellung gezeigten Fotografien aus den Industriebetrieben waren lange unbekannt. Seine Tochter Ute Mahler – ebenfalls Fotografin – entdeckte diese erst nach seinem Tod. Zusammen mit unzähligen anderen Fotografien befanden sich diese Aufnahmen auf Negativfilmrollen und Großformat-Negativen , wovon Ute Mahler neue Abzüge anfertigte. Die „Galerie für moderne Fotografie“ konnte bereits zwei Ausstellungen über Ludwig Schirmer in den Räumen der Central Gallery Berlin präsentieren: „Die Allee. Fotografien von Ute Mahler und Ludwig Schirmer“, 2015 sowie „Das Baukastensystem. Fotografien von Ludwig Schirmer“, 2017.
Text: Cornelia Siebert
Mit der nahezu filmischen Inszenierung der Maschinen hat Ludwig Schirmer Bilder aufgenommen, die Rätsel aufgeben. Wer beherrscht hier wen? Haben die Maschinen die Kontrolle über die Menschen erlangt?
Fast scheint es, als würden die Personen neben den Metall-, Stahl- und Eisenkonstruktionen nur noch bloßes Beiwerk sein. Auf einigen Bildern wirken die Frauen und Männer abwesend bis apathisch, auf einigen anderen scheinen sie mit ihrem Arbeitsgerät zu verwachsen. Trotzdem sind die Personen nicht wegzudenken. Die Spannung der Bilder wird vor allem durch der Beziehung zwischen Mensch und Maschine erzeugt. Dieses Zusammenspiel setzt Schirmer auch durch die künstliche Beleuchtung perfekt in Szene.
All diese Fotografien sind zwischen den 1960er- und 1970er-Jahren in den unterschiedlichsten Betrieben in der DDR entstanden. Die Aufnahmeorte sind nicht mehr eindeutig zu rekonstruieren, reichen jedoch von Fabriken der Schwerindustrie bis zur Verarbeitungsindustrie.
Ludwig Schirmer (1929 – 2001) arbeitete in der DDR als erfolgreicher Werbefotograf. Zur Fotografie kam er über Umwege: Als gelernter Müllermeister eignete er sich das Fotografieren im Selbststudium an. Später erhielt er zahlreiche Aufträge von großen Messen, Außenhandelsfirmen und Industriekombinaten. Vermutlich hatte er durch seine Tätigkeiten in der Werbebranche Zugang zu den ansonsten nicht öffentlichen Industriebetrieben.
In der DDR stand der gesamte Wirtschaftssektor, also auch alle Industriebetriebe, unter staatlicher Kontrolle. Alle Produktionsmittel und Erzeugnisse waren staatliches Eigentum. In Schirmers Bildern spielt das jedoch keine große Rolle. Ihn interessierten vor allem die Form und die Ästhetik der Maschinen und Produkte. Lediglich eine Detail verrät etwas über die Arbeitswelt im realsozialistischen Staat: Der außerordentlich hohe Anteil an in der Industrie arbeitenden Frauen. Dieser lag 1970 in der DDR bei 41 %.
Ludwig Schirmers Schwarz-Weiß-Fotografien erinnern teilweise auch an die sozialdokumentarische Fotografie. Diesen Anspruch hatte er mit diesen Bildern jedoch nicht. Weder wollte er den Zustand der
Fabriken aufzeigen, noch ein Porträt über die Arbeiterinnen und Arbeiter anfertigen. Auch war Schirmer kein Pressefotograf. Die filmische Inszenierung der Bilder beweist das. Sein Interesse galt im Wesentlichen der Suche nach dem bestmöglichen Foto.
Ergänzend zu inszenierten Fabrikaufnahmen ist eine kleine Auswahl an Porträtfotografien zu sehen. Hier steht der Mensch in seiner Rolle als Arbeiter oder Arbeiterin im Mittelpunkt. Die Personen sind in ihrem direkten Arbeitsumfeld in Szene gesetzt. Ähnlich wie August Sanders Gesellschaftsporträts aus dem frühen 20. Jahrhundert handelt es sich bei diesen Aufnahmen um typologische Studien, die viel mehr über gesellschaftliche und politische Umstände, als über Persönlichkeit oder Charaktermerkmale des Einzelnen erzählen.
Die in der Ausstellung gezeigten Fotografien aus den Industriebetrieben waren lange unbekannt. Seine Tochter Ute Mahler – ebenfalls Fotografin – entdeckte diese erst nach seinem Tod. Zusammen mit unzähligen anderen Fotografien befanden sich diese Aufnahmen auf Negativfilmrollen und Großformat-Negativen , wovon Ute Mahler neue Abzüge anfertigte. Die „Galerie für moderne Fotografie“ konnte bereits zwei Ausstellungen über Ludwig Schirmer in den Räumen der Central Gallery Berlin präsentieren: „Die Allee. Fotografien von Ute Mahler und Ludwig Schirmer“, 2015 sowie „Das Baukastensystem. Fotografien von Ludwig Schirmer“, 2017.
Text: Cornelia Siebert